Interview mit Dr. Jan Markus Plathner zum Insolvenzverfahren der Veritas-Gruppe
Die Transformation macht vielen Automobilzulieferern zu schaffen. Die Veritas Gruppe entschied sich für den Weg einer Sanierung im Insolvenzverfahren. Nach einem intensiven weltweiten M&A-Prozess konnte ein Kaufvertrag mit HDT Automotive Solutions aus den USA geschlossen werden. Das Closing soll im November erfolgen. Veritas produziert zu 95 Prozent für den Antriebsstrang und ist daher vom Strukturwandel betroffen.
Was waren Ihre ersten Maßnahmen als vorläufiger Insolvenzverwalter?
Plathner: Wir hatten neben den üblichen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit weitere Probleme zu bewältigen. Zum einen waren die Abrufe der Kunden aufgrund der Corona-Einschränkungen sehr volatil. Zum anderen war die Sicherung der Supply Chain ebenfalls aufgrund der Corona-Bedingungen sehr herausfordernd. Zum Beispiel war bei manchen Lieferanten die Kommunikation zu den Key Accounts durch den Lockdown schwieriger. Darüber hinaus hat uns die weltweite Liefersituation bei Rohstoffen, Komponenten oder Zukaufteilen immer wieder vor Herausforderungen gestellt. Ein weiteres Problem war, dass bei der Veritas ein Großteil des Managements bis sogar in die dritte Ebene nicht mehr vorhanden war, sodass geeignete Interimsmanager gefunden und installiert werden mussten.
Mit welchem Sanierungsbaukasten sind Sie vorgegangen?
Plathner: Wir haben verschiedene Wege des Exits verfolgt: Den Gesamtverkauf, den Verkauf einzelner Gruppengesellschaften bzw. operativer Einheiten mit einem in der Insolvenz entwickelten Entflechtungskonzept. Daneben haben wir aber auch an einem Konzept, das die Fortführung der Gruppe mit einem entsprechenden Restrukturierungskonzept im Insolvenzverfahren vorgesehen hätte, gearbeitet. Wir wollten darauf vorbereitet sein, dass kein Investor gefunden wird oder die Angebote zu schlecht gewesen wären. Ziel wäre es gewesen, die Gruppe später nach einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens zu veräußern. Im Hinblick auf das in manchen Branchen schwierige Investorenumfeld gehört es aus meiner Sicht mittlerweile zu den Standardaufgaben eines Insolvenzverwalters, solche Alternativkonzepte zu entwickeln.
Wie groß war letztendlich das Interesse bei den Investoren?
Plathner: Wir haben insgesamt ca. 170 Investoren angesprochen. 30 Investoren haben indikative Angebote abgegeben, die sich auf die einzelnen Teile aber auch auf die gesamte Gruppe bezogen haben. Letztendlich haben zwei Investoren finale Angebote zum Kauf der gesamten Gruppe abgegeben. HDT Automotive Solutions konnte sich am Ende durchsetzen. Eine Gruppengesellschaft, die Veritas Poppe GmbH, die auch im Bereich „Non Automotive“ tätig ist, wurde separat an die niederländische Elastofirm B.V. veräußert.
Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf das Projekt?
Plathner: Erstaunlicherweise hatte Corona den Transaktionsprozess nicht wirklich behindert. Dafür gab es Hindernisse an anderer Stelle, denn die klassische Kommunikation zwischen Insolvenzverwalter und Mitarbeitern konnte nur sehr eingeschränkt stattfinden. Mein Dank gilt der Belegschaft, den Arbeitnehmervertretung und IG BCE, die trotz der widrigen Umstände durch ihren Einsatz und den konstruktiven Verhandlungen den Deal ermöglicht haben. Auch die Kunden haben uns sehr unterstützt. Ein solcher Verkauf ist aber immer eine Teamleistung. Bei Brinkmann & Partner waren rund zwölf Anwälte tätig. Hinzu kamen noch Berater von GCP, Taylor Wessing, PwC und vor allem Jörg Brunner und sein Team von Lincoln International, die den Prozess zum Erfolg geführt haben.
Welche Zukunft hat Veritas?
Plathner: Die Veritas ist mit dem neuen strategischen Investor auf einem sehr guten Weg. Viele Unternehmen müssen die Transformation starten, um das Business an die neuen Gegebenheiten anpassen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass einige Unternehmen noch im „Dornröschenschlaf“ verweilen. Oft kann man gerade bei mittelständischen Unternehmen diesen Prozess nicht neben dem ohnehin schwierigen „Alltagsgeschäft“ stemmen. Es ist wichtig, die Transformation jetzt sehr strukturiert und schnell zu beginnen. Betroffene Unternehmen benötigen einen „Think-Tank“ oft mit externen Profis, um eine zukunftsfähige Zielstruktur zu entwickeln. Manchmal muss man auch „out of the box“ denken.