Manager haben keine Kristallkugel, und doch müssen sie auch in Zeiten hoher Unsicherheit realistische Forführungsprognosen treffen. Dafür gilt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.
Text: Dr. Jan Markus Plathner und Daniel Arends (Erstveröffentlichung FINANCE Magazin, Sonderbeilage Transformation, Mai/Juni 2022)
Eine valide Unternehmensplanung zu erstellen ist im aktuellen Umfeld alles andere als einfach: Die Automobilindustrie war schon vor Corona unter Druck, dann folgten binnen kurzer Zeit zunächst die Covid-19-Pandemie und schließlich die Halbleiterkrise, die Rohstoffkrise, die Energiepreiskrise und zuletzt die erheblichen Verwerfungen infolge des Ukraine-Kriegs. Dieser Zustand führt in vielen Sanierungsprozessen zu Verunsicherung: Wie sollte eine Unternehmensplanung die aktuelle Situation und etwaige weitere Veränderungen richtig abbilden?
Dabei stellt sich das Management beispielsweise die Frage, welche Auswirkungen die Krise haben könnte, bis wann sie anhält, ob sie sich weiter verschärft und welche weiteren Effekte folgen könnten. Hinzu kommt: Bereits vor Beginn der Epoche der externen Schocks stand die deutsche Wirtschaft in vielen Branchen vor erheblichen Herausforderungen, die für sich genommen schon anspruchsvoll genug waren, wie etwa die Transformationserfordernisse im Einzelhandel und der Automobilindustrie. Alle diese Umstände haben direkten Einfluss auf die eigene Unternehmensplanung und damit den eingeschlagenen Sanierungsprozess.
Prognose regelmäßig anpassen
In diesem Zusammenhang fragen Stakeholder, etwa die im Rahmen von Refinanzierungsprozessen eingespannten Finanzierer, wie ein Management Entwicklungen wie das zukünftige Abrufverhalten der Kunden oder die Entwicklung der Energiepreise einschätzt. Oftmals lautet die schlichte Antwort: „Wir wissen es nicht.“ Dieses Dilemma hat auch Auswirkungen auf die Fortführungsprognose, beispielsweise im Rahmen insolvenzrechtlicher Antragspflichten.
Die Fortführungsprognose eines Unternehmens basiert grundsätzlich auf einer Prognose aller zum Beurteilungszeitpunkt bekannten und absehbaren Ereignisse, Entscheidungen und Faktoren. Dies bedeutet: Die Prognose für den Geschäftsverlauf muss regelmäßig an die bekannten Umstände angepasst werden. Ebenso muss das Management Maßnahmen anstoßen, um auf neue Situationen reagieren zu können. Die Prognose ist oft schon unter normalen Bedingungen sehr schwierig. Derzeit ist sie teilweise fast unmöglich, da viele Entwicklung nicht vorhersehbar ist. Wie kann ein Management darauf adäquat reagieren?
Durchfinanziert oder nicht?
Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit lässt sich regelmäßig über eine direkte Liquiditätsplanung nachvollziehen. Anders dagegen der Insolvenzgrund der Überschuldung: Er beinhaltet eine unternehmerische Prognose zum Geschäftsverlauf in der Zukunft, der unter den derzeitigen Bedingungen vielfach nicht ganz einfach zu ermitteln sein dürfte. Ein Unternehmen ist überschuldet, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich („Fortbestehensprognose“). Im Kern geht es um die Frage, ob das Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten in der Lage sein wird, seine fälligen Verbindlichkeiten bedienen zu können, also ob das Unternehmen durchfinanziert ist.
Das Management muss eine positive Fortbestehensprognose anhand eines schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzepts feststellen. Dieses sollte einen qualifizierten und plausiblen Finanzierungs- und Ertragsplans („integrierte Planung“) als Basis haben und die sich daraus ergebenden Liquiditätsanforderungen darstellen. Dabei muss der gesamte Prognosezeitraum betrachtet werden, denn die Fortführungsprognose ist ein wertendes Gesamturteil über die Lebens- und Zahlungsfähigkeit des Unternehmens in der vorhersehbaren Zukunft. Die Geschäftsführung muss auf Basis der Planung Maßnahmen identifizieren und bewerten, die die Annahme rechtfertigen, dass das Unternehmen in der Lage ist, jederzeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit seine Verbindlichkeiten zu erfüllen. Es handelt sich daher bei der Fortführungsprognose um eine Liquiditäts- beziehungsweise Zahlungsfähigkeitsprognose.
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Die Autoren:
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