Das Ziel für Projektgesellschaften ist: Gestaltungsmöglichkeiten für „totgesagte Projekte“ finden.
Text: Sebastian Netzel (Erstveröffentlichung Restructuring Business Magazin, Ausgabe 04/22)
Krise Substantiv, feminin [die]
„Schwierige Lage, Situation, Zeit [die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt]; Schwierigkeit, kritische Situation; Zeit der Gefährdung, des Gefährdetseins
Griechisch: Krise bezeichnet eine über einen gewissen (längeren) Zeitraum anhaltende massive Störung des gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Systems. Krisen bergen gleichzeitig auch die Chance zur (aktiv zu suchenden qualitativen) Verbesserung.“
Mit steigenden Zinsen, erschwerten Finanzierungsbedingungen, hoher Inflation und einer allgemein größeren wirtschaftlichen Unsicherheit stehen Projektgesellschaften vor erheblichen Herausforderungen. Ein Mandant sagte mir Ende Oktober 2022 beim Mittagessen: „Projektgeschäft ist tot“. Krise. Abrupt. Schneller als erwartet.
In den Augen dieses Mandanten ist die Zeit des Geldverdienens vorbei. Die „Rallye“ ging so lange gut, wie die davongaloppierenden Preise durch niedrige Finanzierungskosten kompensiert wurden und die Projekte ihren Kapitaldienst nachhaltig verdienen konnten. Die Zeit der Management-Fees im siebenstelligen Bereich könnte vorbei sein. Unabhängig davon, ob man das Verständnis einiger in der Immobilienbranche nach dem Prinzip „Lass Geld regnen“ teilt: Die Krise hat begonnen, der Beratungsbedarf wächst. Für die Beteiligten entstehen Fragen aus dem Bereich der Restrukturierung. Die Einzelfragen ergeben sich je nach dem Stand der Projektentwicklung.
Die Projektentwicklung beispielsweise einer Immobilie läuft von der Projektidee bis hin zur Projektrealisierung. Die Phasen beinhalten dabei auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Projekts, um danach alle Planungsaufträge vergeben zu können. Bis zur Projektrealisierung – Idee, Planung, baulichen Umsetzung, Nutzung einer Immobilie, Rückbau und Verwertung – sind Kapitalgeber und Investoren meist involviert.
Ist es nicht in die richtige Richtung gelaufen, blieb oftmals nur der Weg zum Insolvenzgericht. Praktisch war das Projekt tot. Nichts ging mehr, jedenfalls in der Regel nicht aktiv gestaltend durch einen Insolvenzverwalter, welcher über keine oder nur geringe Mittel verfügte – Fertigstellung ohne kreative Lösungen undenkbar oder auch nicht gewollt.
Die Restrukturierung einer Projektgesellschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens kann von vornherein nur dann gelingen, wenn die Zahlungsunfähigkeit vermieden oder zumindest kurzfristig wieder beseitigt werden kann. Denn wird ein Unternehmen zahlungsunfähig, müssen die Mitglieder seines Vertretungsorgans ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen. Gleiches gilt im Fall der Überschuldung.
Nachteile eines Insolvenzverfahrens für die Beteiligten können jedoch sein:
- Der gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter ist weder lösungs- noch ergebnisorientiert und versucht nicht einmal, unter Beteiligung aller Beteiligten das Projekt entweder fortzuführen oder bestmöglich zu verwerten.
- Im Ergebnis wird aus dem Rohbau ein unverwertbarer Schrottbau und erhebliches Vermögen auch aufgrund von Untätigkeit vernichtet.
- Die Verfahrenskosten reduzieren den Erlös für die (Insolvenz-)Gläubiger nochmals (erheblich).
Daraus folgt, dass es für die Beteiligten darum geht, in der Krise aktiv Lösungen zu suchen, die
- das Projekt fertigstellen,
- zu einer bestmöglichen Verwertung führen,
- den Schaden für alle Beteiligten möglichst gering halten.
Krise bedeutet für die Handelnden der Projektgesellschaft, unter Berücksichtigung dieser Ziele glaubwürdig zu sein und sich an die Regeln zu halten.
Das Verhandeln von Stillhalte- und Stundungsvereinbarungen zur Vermeidung einer Insolvenz setzt Vertrauen voraus. Ebenso wie die Geschäftsleitung der insolvenzbedrohten Immobilienprojektgesellschaft selbst sind auch deren Gläubiger in einer Sanierungssituation ernstzunehmenden Haftungsrisiken ausgesetzt. Sie müssen sich gegen den Vorwurf schützen, nur aus eigennützigen Gründen ihren Darlehensnehmer weiter finanziert zu haben. Banken und andere Gläubiger verlangen daher regelmäßig die Vorlage eines Sanierungsgutachtens.
Es stellt sich jedoch die Frage, unter welchen Planungsannahmen derzeit ein Sanierungsgutachten erstellt werden kann. Wer vermag heute einzuschätzen, wie sich der Markt entwickelt? Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Marktteilnehmer kaum oder keine Erfahrungen mit Krisen haben. Dieser auch psychologische Umstand kann und wird dazu führen, dass viele Beteiligte kein oder kaum Verständnis für Verhandlungen über Verzicht mit oder ohne Einschränkungen haben werden und können.
Ich vertrete die Auffassung, dass die Lösung dieses Problems durch das StaRUG erfolgen kann. Tatsächlich zeigt sich, dass bereits die Ankündigung eines Restrukturierungsverfahrens bei den Beteiligten Bewegung erkennen lässt.
Was ist das StaRUG?
Das StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) gibt Unternehmen in der Krise verschiedene Instrumente zur Unterstützung der Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens an die Hand. Ziele sind die Durchsetzung und Umsetzung eines Sanierungskonzepts des Schuldners und damit letztlich die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens.
Die Gestaltung von Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaften und Rechten aus gruppeninternen Drittsicherheiten zur Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist regelmäßig Anlass zur Vorlage eines Restrukturierungsplans und daher die zentrale Norm des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes. Die Regelung entspricht im Wesentlichen denen zum Insolvenzplan. Was macht ein Insolvenzplan? Nichts anderes, als eine Vergleichsrechnung aufzustellen. Diese soll (im Regelfall) eine Besserstellung der Gläubiger im Rahmen einer Fortführungslösung im Vergleich zu der Stellung in einem Liquidationsszenario darstellen. Auch für den Restrukturierungsplan im Rahmen einer Fortführungslösung ist eine Vergleichsrechnung erforderlich. Die Vergleichsrechnung hat aufzuzeigen, dass die Fortführung der Projektgesellschaft zu einer Besserstellung der Beteiligten relativ zu der in einem Insolvenzverfahren beziehungsweise einer Liquidation der Gesellschaft führt. Das sollte bei Projektgesellschaften in der Bauphase darstellbar sein. Denn die Einstellung oder der Stillstand eines Bauvorhabens folgt dem Prinzip: „Jeder Tag kostet Geld“. Beides vernichtet Werte.
Fazit
Im Ergebnis ist daher die Frage zu beantworten, ob es die Parteien gemeinsam hinbekommen, eine Lösung zu finden, Verzicht zu üben und aktiv zu gestalten. Krisen bergen gleichzeitig auch die Chance zur (aktiv zu suchenden qualitativen) Verbesserung. Der Restrukturierungsplan bietet Möglichkeiten, diese Ziele umzusetzen, wenn
- gemeinsame Ziele definiert werden,
- diese Ziele gestaltet und mit Leben gefüllt werden,
- verstanden wird, dass geringe Verluste nicht den Totalverlust bedeuten.
Die nächsten Monate und Jahre könnten für die Beteiligten davon geprägt sein, Gestaltungsmöglichkeiten für „totgesagte Projekte“ zu finden. Es wird ein Geben und Nehmen sein. Für Juristen und Berater dürfte sich die Anforderung ergeben, dass große Ganze zu verstehen, pragmatisch und auch manchmal hemdsärmelig zu handeln.
Diesen und weitere Artikel finden Sie online im Restructuring Business Magazin.