Olaf Spiekermann / Dr. Franziska Hackenberg: Anordnung und Durchführung von Sonderinsolvenzverwaltungen (Erstveröffentlichnug: NZI 2022 , 153)
Ein Sonderinsolvenzverwalter kommt regelmäßig dann zum Einsatz, wenn der Insolvenzverwalter in seiner Tätigkeit tatsächlich oder rechtlich verhindert ist. Wann dies der Fall ist und wie die Bestellung, die Amtsausübung und die Vergütung zu handhaben sind, ist Gegenstand dieses Beitrags.
I. Rechtsgrundlage und Zulässigkeit
Das Institut der Sonderinsolvenzverwaltung war schon unter Geltung der KO anerkannt. Eine formelle Rechtsgrundlage für die Bestellung eines Sonder-insolvenzverwalters existierte nicht. § 77 RegE-InsO sah daher Folgendes vor:
„(1) Ein Sonderinsolvenzverwalter wird bestellt, soweit der Insolvenzverwalter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann. Ein Sonderinsolvenzverwalter kann bestellt werden, wenn zur Befriedigung bestimmter Gläubigergruppen Sondermassen zu bilden sind. (2) Der Sonderinsolvenzverwalter hat in dem Bereich, für den er bestellt ist, die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Die §§ 65 bis 76 gelten entsprechend.“
Diese Regelung wurde jedoch nicht umgesetzt, da der Gesetzgeber eine Normierung weiterhin für verzichtbar hielt. In Rechtsprechung und Literatur werden die §§ 56 ff. InsO auf den Sonderinsolvenzverwalter als (analog) anwendbar angesehen. § 77 RegE-InsO kann dennoch für die Auslegung des gesetzgeberischen Willens ergänzend heranzuziehen sein.
II. Fallgruppe Verfahrens- oder Interessenkollisionen
1. Sachgründe der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters
Wohl häufigster Anlass der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ist die Forderungsprüfung in der Insolvenztabelle, wenn der Verwalter in zwei sich berührenden Insolvenzverfahren bestellt ist. Es liegt auf der Hand, dass der Verwalter keine unabhängige Prüfung selbst angemeldeter Forderungen vornehmen kann. So ist es etwa in Konzerninsolvenzen, also wenn gesellschafts- und zivilrechtlich verbundene Unternehmen parallel Insolvenzverfahren durchlaufen, vgl. auch § 56b InsO. Ein weiterer Fall ist der einer
Folgeinsolvenz: Der Verwalter veräußert die Assets des Unternehmens an einen Rechtsnachfolger. Dieser hat, neben den faktischen Schwierigkeiten des Neustarts, besondere finanzielle Lasten in Form der Kosten des Geschäftsbetriebs, der Neugründungskosten und der Kosten des Asset-Deals zu stemmen. Sofern keine intensive Auseinandersetzung mit den Krisenursachen erfolgt, gelingt der Neubeginn mitunter nicht nachhaltig, so dass es zur
Folgeinsolvenz kommt. Sofern noch Ansprüche etwa aus dem Asset-Deal bestehen und der Verwalter des Erstverfahrens auch zum Verwalter im Folgeverfahren bestellt wird, treffen sich die Verfahren in der Insolvenztabelle. In der Insolvenz einer Personen(handels)gesellschaft ist § 93 InsO zu beachten. Wenn der persönlich haftende Gesellschafter – etwa die Komplementärin – aufgrund dieser Haftung selbst insolvent wird, handelt es sich um eine so genannte Simultaninsolvenz. Die Ansprüche werden zur Tabelle im Verfahren des Gesellschafters angemeldet. Auch hier sollten Interessenkollisionen bei identischer Verwalterbestellung vermieden werden. Letztlich sind die Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft oft selbst insolvenzbedroht. Hintergrund ist bzw. war der äußerst strenge § 64 GmbHG aF. Sofern in der Insolvenz des Geschäftsführers derselbe Verwalter bestellt wird, entsteht eine Kollision in der Tabelle.
Aber auch außerhalb der Insolvenztabelle können sich Verfahren berühren. Insbesondere bei Betriebsfortführungen in der (Konzern-)Insolvenz kann es sinnvoll sein, Nutzungs- oder Dienstleistungsverträge weiterzuführen oder sogar neu zu begründen. Um zu vermeiden, dass eine der Insolvenzmassen durch eine Interessenkollision benachteiligt wird, kann ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden. Zudem können Aus- und Absonderungsrechte der einen Masse gegen die andere bestehen. Gleiches gilt für etwaige Anfechtungsansprüche gegen eine andere schuldnerische Masse mit demselben Verwalter.
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Spiekermann /Hackenberg: Anordnung und Durchführung von Sonderinsolvenzverwaltungen (NZI 2022 , 153)
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